hart backbord 01/2016
- 15.02.2016Nr.01/2016 ; Nr. 01
hart backbord
Ein Blatt für Seeleute und interessierte Landratten
unabhängig, weltoffen und seefest
Das schöne Mädchen von La Ceiba |
Eine Geschichte aus vergangenen Tagen |
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Spruch der Woche:
Wir brauchen nicht so fortzuleben,
wie wir gestern gelebt haben.
Macht euch nur von dieser Anschauung los
und tausend Möglichkeiten
laden uns zu neuem Leben ein.Christian Morgenstern
„Das schöne Mädchen von La Ceiba“
Eine Geschichte aus vergangenen Tagen
Sorea war wirklich das schönste Mädchen in der großen Stadt La Ceiba. Sie hatte eine Ausstrahlung, die nicht nur Männer sondern auch Frauen beeindruckte. Unter anderem trat die junge Frau als GoGo-Girl in der Diskothek „El Kairo“, dem angesagtesten Schuppen in La Ceiba, einem Bananenhafen in der Karibik an der hondurianischen Küste, auf. Die Disco „El Kairo“ war auch bei den Seeleuten der Bananenfrachter recht beliebt. Seeleute sprachen allerdings nie von Bananenfrachtern sondern nur von „Bananenjägern“, weil diese Schiffe wesentlich schneller fuhren als die anderen Frachter.
Auf der „Ahrensburg“, einem „Bananenjäger“ der Reederei Harald Schuldt, war man bester Laune. Die Werftzeit war zu Ende und man fuhr zurück in die Karibik. Die „Ahrensburg“ war an die amerikanische Bananengesellschaft „United Fruit“ für die Route von La Ceiba in Honduras nach Gulfport in der Nähe von New Orleans verchartert worden.
Zwei Wochen hatte man bei Blohm und Voss in Hamburg in der Werft gelegen. Die „Ahrensburg“ wurde gedockt, erhielt einen neuen Unterwasseranstrich und machte „Klasse“, das heißt der Germanische Lloyd, eine Klassifikationsgesellschaft, untersuchte das Schiff. Überall stolperte man über Kabel und Leitungen oder irgendwelche Werftarbeiter, „Werft-grantis“ genannt, die sich am Schiff zu schaffen machten.
Alle an Bord waren heilfroh, als es endlich wieder los ging. Vor allem die Kollegen aus Mittelamerika freuten sich. Für sie ging es wieder nach Hause.
In der Mannschaftsmesse war La Ceiba das große Thema. Der Scheich, der Bootsmann, kannte nichts anderes. Er war schwer in die schöne Sorea verliebt. Jedem der Kollegen schwärmte er von seiner Angebeteten vor. Er sprach schon von Heirat und wie er berichtete, schickte er ihr auch seit Monaten einen „Ziehschein“, das heißt die schöne Sorea bekam von ihrem Verehrer jeden Monat eine feste Summe.
Selbst die gutmütigsten Kollegen wunderten sich leicht. Der verliebte Scheich war nämlich schon etwas in die Jahre gekommen. Na ja, wie sagt man so schön: Liebe macht blind…
Auf jeden Fall freuten sich alle nach La Ceiba zurück zu kommen. Zahlreich waren die Verbindungen dorthin. Der zweite Maschinist und ein Matrose waren in La Ceiba verheiratet. Ein Teil der Besatzung waren Einheimische. So war die Stadt in aller Munde.
La Ceiba war eine Stadt mit etwa 60.000 Einwohnern. Der Hafen bestand aus einer hölzernen Pier mit gerade zwei Liegeplätzen für „Bananenjäger“. Die Bananen wurden per Eisenbahn mit uralten Wagen herangekarrt.
Die Verhältnisse an Land waren furchtbar. Sechzig Prozent der Stadt, darunter die großen Hotels und andere lukrative Institutionen, zum Beispiel das örtliche Gefängnis, gehörten der Familie de La Rosa. Die Korruption war allgegenwärtig.
Zu dem Gefängnis hatte so mancher der Besatzung ein innigeres Verhältnis. Das Risiko zu einem kleinen Aufenthalt gezwungen zu werden, war relativ groß. Es reichte unter Umständen „leicht“ angetrunken einem Polizisten zu begegnen, der gerade Geld brauchte – zack, ehe man sich versah, gab’s „gesiebte Luft“ und der Alte durfte am nächsten Morgen antanzen und den armen Sünder mit einer kleineren Geldsumme auslösen. Praktischerweise lag das Gefängnis gleich neben der Pier.
Aber das Ganze war nicht zum spaßen. Wie einer der aus La Ceiba stammenden Kollegen berichtete, war ein Cousin von ihm bei einer Auseinandersetzung ums Leben gekommen. Die Polizei hatte den Täter gefasst und in den Knast gesteckt. Die Familie des Täters versuchte verzweifelt das Geld aufzutreiben, um ihn aus dem Knast frei zu kaufen.
Die Familie des Opfers ihrerseits wartete nun hingegen darauf, dass der Übeltäter frei kam, um ihn ihrerseits umzubringen. Vermutlich blieb dem armen Sünder nur, sich nach den „Estados Unidos“, den USA abzusetzen.
Die Gewalttätigkeit der Polizei war erschreckend und allgegenwärtig. So wurde eine Gruppe Seeleute der „Ahrensburg“ Zeugen, wie ein Mann aus nichtigem Anlass erschossen wurde.
Es war ein später Abend, als die Polizei offensichtlich eine Razzia veranstaltete. Große Polizeiwagen mit blauen Blinklichtern standen vor einem kleinen Lokal in einem Armenviertel, einem Viertel der Schwarzen. An der Wand standen drei farbige Männer mit auf den Rücken gefesselten Händen, die Gesichter zur Wand gerichtet. Im Abstand von etwa drei bis vier Meter standen einige Polizisten.
Plötzlich drehte sich einer der gefesselten Männer um und lief weg. Anstatt dem Flüchtigen zu folgen, zog der Chef der Gruppe, ein Polizist mit einem gewaltigem Bauch und tief sitzendem Gürtel die Pistole und schoss auf den Flüchtigen. Der wurde getroffen und fiel auf die Straße. Einer der Polizisten sprach in sein Walkie-Talkie. Keiner ging zu dem Angeschossenen. Etwa zehn Minuten später erschien eine Ambulanz und packte den Verletzten ein. Er starb am nächsten Tag im Krankenhaus. Wie man hörte, sollte eine Kugel die Niere getroffen haben…
Überhaupt die Hautfarbe. Wie die einheimischen Kollegen, als auch Seeleute, die schon länger in der Gegend lebten, berichteten, war das soziale Prestige stark von der Hautfarbe abhängig – je heller, desto angesehener. Auf der untersten Stufe standen die dunkelhäutigen Menschen.
Doch zurück zu unserem Scheich. Je näher das Schiff an seinen Bestimmungsort kam, desto nervöser wurde er. Irgendwann war es dann soweit. Der Lotse kam mit einem kleinen Holzboot an Bord und brachte die „Ahrensburg“ sicher an die Pier. Das Festmachen war etwas schwierig. Es stand Schwell an der Pier. Außerdem musste das Ladegeschirr klar gemacht und die Luken geöffnet werden und als dann die ersten Kartons mit Bananen an Bord kamen, konnte der Scheich endlich an Land gehen. Er war etwas nervös, denn seine schöne Sorea hatte ihn nicht, wie sonst, an der Pier erwartet.
Spät abends kam der Scheich zurück, abgefüllt und mit ziemlich ramponiertem, weißen Anzug. Der Matrose auf Nachwache musste ihm noch die Gangway hoch helfen. Ohne ein Wort verschwand er in seiner Kammer.
Am nächsten Morgen berichtete er beim Frühstück in der Messe von seinem Schicksal. Seine Sorea war nicht mehr aufzufinden gewesen. Durch Nachfragen bei Familie und Nachbarn erfuhr er Näheres. Seine Sorea hatte tatsächlich geheiratet, aber nicht ihn. Sie hatte einen jungen, englischen Steuermann von einem anderen „Bananenjäger“ geheiratet und war mit ihm nach England geflogen. Was ihn tröstete war die Tatsache, dass er nicht der einzige Betrogene war. Sorea hatte insgesamt fünf Seeleuten die Ehe versprochen und jeden Monat fünf Ziehscheine kassiert…
Sie segelten damals in völlig unbekanntes Gewässer und in den Köpfen von vielen Seeleuten spukte noch die Vorstellung aus der Antike, die Erde sei eine Scheibe und sie würden irgendwann über die Kante ins Nichts fallen, beziehungsweise gewaltige Monster Schiff und Besatzung verschlingen.…
Witz der Woche:
Zwei ältere Rentner unterhalten sich: „Also ich möchte in Würde alt werden…“
Ich weiß nicht so recht, ich bin eher für Gran Canaria…“
Fiete meint: „Wärme ist gut für die alten Knochen…
Aktualisiert ( Mittwoch, den 08. Februar 2017 um 15:00 Uhr )